INTERVIEW MIT DEM ONLINEMAGAZIN HORSTUNDEDELTRAUT.COM
INTERVIEW ZUR AUSSTELLUNG MATCHES MIT CHRISTIANE MEISTER
INTERVIEW mit BURO 24 7 / MOSKAU
auf russisch:
"Als die Menschheit die Erde das erste mal vom Weltraum aus sah, wurde sie enttäuscht."
Interview mit der Künstlerin Susanne Henny Kolp
Am 21. Februar fand im Miussky Depot Space im Rahmen des BURO. New Cool = DEPO- Festivals eine eintägige Ausstellung zeitgenössischer KünstlerInnen zum Thema "New Era" statt, das den neuesten Trends in Gesellschaft und Kultur gewidmet war. Wir sprachen mit einer Teilnehmerinnen, der jungen deutschen Künstlerin, Susanne Henny Kolp, und fragten sie, warum sie in der Zeit von Technologien immer noch Malerei bevorzugt.
Über die Philosophie
Als ich an die Kunsthochschule kam, wurde ich als erstes gefragt: "Wer ist ihr Lieblingskünstler?" Ich konnte nicht weiter darauf eingehen, da meine Ideen und Inspiration weder damals noch heute in der Kunstgeschichte begründet liegen, sondern eher aus anderem Interesse und auch ein wenig in meiner vorherigen Ausbildung resultieren. Bevor ich an die Burg Giebichenstein Kunsthochschule für Kunst und Design Halle (Saale) kam, habe ich an der Universität Rostock studiert. Sie ist eine der ältesten Universitäten in Europa, die vor allem für die naturwissenschaftliche Forschung bekannt ist. Ich habe dort Altgriechisch und Philosophie studiert. In der Philosophie war ein besonderer Schwerpunkt die Logik. Das Alte, aber auch der Vergleich von Haltung und Theorie beeinflussen mein Denken immer noch.
Über das Malen
Ich interessiere mich nicht für die realistische Darstellung der mich umgebenden Welt, beziehe mich nicht auf existierende Orte oder skizziere in der Landschaft. Darstellungen oder besser gesagt Bilder, die ich auf der Leinwand aufbaue, entstehen aus der Theorie, aus Nachrichten oder addierten Eindrücken. Für mich ist Malerei wie eine mathematische Gleichung, in der es einen bestimmten Algorithmus gibt, der hilft das Bekannte oder Neue zu finden und die unterbewussten Zusammenhänge sichtbar macht.
Über die Natur
Natur findet sich in meiner Arbeit oft in Form von Landstücken wieder, diese haben aber mit den wirklichen Landschaften um mich herum nichts zu tun. Sie sind Ideen. Wenn ich mich an der frischen Luft befinde fühle ich mich oft gestört von Käfern, Allergien oder Müll.
In meiner Erwartung, bevor ich in ihr bin, ist sie davon frei, sie ist ideal. Ich denke oft darüber nach inwieweit unsere Vorstellung von der Natur nicht der Realität entspricht und wie wir Menschen als vermeintlicher Teil davon, weit davon entfernt sind. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe die Natur, mich besorgt nur, dieser Zwiespalt.
Über den Weltraum
Mich beeindruckt die Arbeit von Buckminster Fuller - einem amerikanischen Architekten, Theoretiker, Schriftsteller, Erfinder und Zukunftsforscher. Er behauptete, dass die Menschheit, als sie den Globus das erste Mal aus dem Weltraum sehen konnte, eine enttäuschende Erfahrung machte. Vielleicht war es ein Trauma, dass die Erde nicht unendlich groß ist, sondern im Gegenteil klein und zerbrechlich und im Maßstab des Universums unbedeutend. Ich glaube, dass die Menschheit die Begrenztheit unseres Planeten nicht wirklich verinnerlichen kann und dementsprechend handelt.
Gleichzeitig leben wir in dieser naturwissenschaftlich geprägten Zeit und sind informiert über die Konsequenzen.
Diesen Zwiespalt bearbeite ich in meiner Malerei, er findet in ihr diesen jugendlich naiven Anklang.
Über die Materialität
Als ich noch Philosophie studierte, wusste ich, dass ich nicht für immer in der Theorie verharren wollte. Ich wollte mit den Dingen, die in der Welt sind, hantieren. Gerade bei sehr großen Arbeiten erfahre ich eine sehr körperliche Interaktion und meine Arbeiten fühlen sich auf vielen Ebenen wie ein Teil von mir an. Ich mag den Gedanken, dass sie ohne mich in sein können, temporär oder generell.
Über die Texte
Neben dem Malen arbeite ich viel mit Texten. Wenn ich schreibe, stelle ich mir oft vor, dass ich meine
Ideen einem guten Freund erkläre. Meine schriftliche Diplomarbeit habe ich vollständig aus Briefen zusammengestellt, die ich dann auch an meine Freunde verschickt hatte. Sie sind gesammelt zu
einem Buch geworden. Allgemein glaube ich aber, dass die verbindendste Sprache die der Bilder ist, sie verbindet auf besondere Weise, auch wenn es sicher immer eine kulturell-belegte Lesbarkeit
gibt.
Über Textiles
Mein Studiengang an der Burg hieß "Malerei | Textile Künste". Er hat bei mir sowas wie ein textiles Denken angeregt, auch wenn ich immer malte. Die Herstellung von Textilien war zu der Zeit wirklich zu langwierig für mich.
Um den Studiengang und den Zusammenhang zwischen Malerei und Textil zu erklären erinnere ich meinen jeweiligen Gegenüber immer an die Gobelins, diese textilen Wandbildern, die man vor allem aus Schlössern kennt. Ihre Vorlage am Webstuhl war immer ein zuerst malerisch angefertigter Entwurf.
Das ist natürlich nur eine Facette, mich beeindrucken ebenso Kelims und ihre vielfältigen Muster oder Abstraktionen. Besonders spannend finde ich die Überführung der Inhalte vom dreidimensionalen Raum ins Zweidimensionale
Bis hin zum Monochromen, es ist der unendliche Raum, der wieder gefüllt werden kann. Ich stelle meine Landstücke oft in diesen Raum.
Das Besondere an ihm ist, dass er materiell trotzdem so komplex ist, weil er aus Pigment besteht. Mineralische Ablagerungen, die Zeit und Information beherbergen, wie das Haar aus dem der Faden für das Textil gesponnen wird.
Technologie
Ich würde sagen, dass ich sehr analog bin, digital fühle ich mich eher unwohl. Meine ganze Diplomarbeit habe ich auf Schreibmaschine geschrieben, meine Korrekturen blieben sichtbar. Es fällt mir schwer einen Text zu denken, der an jeglicher Stelle wieder löschbar ist.
Ich vermeide auch Social Media, das sind keine sozialen Orte. Obwohl ich mich offensichtlich den Technologien nicht ganz verwehre.
Über Lieblingsbücher
Ich lese jeden Tag. Meine Lieblingsbücher sind Werke von Hannah Arendt, Ernst Gombrich, Buckminster Fuller und den Brüdern Strugatzki. Vor drei Jahren stolperte ich in Frankfurt in einer kleinen Buchhandlung über Picknick am Wegesrand und hingerissen.
Es trägt in sich die Ambivalenz des Menschseins und sein Verhältnis zur Natur, die sich auch in meiner Arbeit ablagert.
Die Menschheit versucht in der Geschichte ein großes Ereignis zu entschlüsseln, das auf der Erde stattfand und durch außerirdisches Leben verursacht zu sein scheint. Sie bezieht das Geschehene über alle Maßen auf sich, bis einer der Protagonisten die These aufstellt, dass all das was die Außerirdischen auf der Erde hinterlassen haben auch nur eine Randerscheinung für diese gewesen sein könnte. Wie der Müll achtlos auf den Rastplatz zurückgelassen wird auf einem kurzen Zwischenstop nach einem Picknick am Wegesrand.
stehendes gewässer im zweistromland, 2018, Öl- und Acrylfarbe auf Leinwand, 88 x 80 cm
Sonntag, Montag ...
Die Woche hat sieben Tage. Die heißen ..., das weißt du ja! Aber wahrscheinlich weißt du nicht, seit wann die Tage nicht mehr wie für die Urmenschen einer hinter dem anderen herlaufen, ohne Namen und ohne Reihenfolge. Wer sie in Wochen zusammenfaßte und jedem einen Namen gab. Das geschah nicht in Ägypten. Das geschah in einem anderen Land. Heiß war es dort auch. Und statt eines Stromes, des Nil, gab es dort sogar zwei: Euphrat und Tigris. Man nennt das Land darum Zweistromland.
Ernst H. Gombrich
Man begann den Prozess gestückelt zu betrachten und muss sich nun fragen,
wenn man etwas lineares einfach so unterteilt,
ist dann plötzlich etwas zwischen diesen Teilen,
dort wo die Grenzen aneinanderstoßen,
vielleicht nur ein Haar breit oder mehr?
Und im Unterschied zu moderner Auffassung galten seine Worte nicht darum als groß, weil sie große Gedanken ausdrückten. (...)
Hier entspringt die Einsicht und mit ihr das Denken aus dem Sprechen, und nicht umgekehrt, aber Sprechen und Handeln galten als gleich ursprünglich und einander ebenbürtig, sie waren gleicher Art und gleichen Ranges.
Hannah Arendt: Vita activa oder vom tätigen Leben, München 1981, S.36.
Hannah Arendt
Mein Brief an Katharina beschreibt gleichermaßen den Anfang meines Studiums,
wie auch den Anfang eines jeden Bildes.
Er soll einen Prozess sichtbar machen, der andeutet in welcher räumlich-erdachten Situtation mir entstandene Bilder erscheinen und zugleich das Erkennen im Prozess beschreiben, das eine der wichtigsten Qualitäten des gemalten Bildes für mich als Malende ist.
Ebenso hoffe ich, dass er vermittelt, inwieweit es notwendig ist (bei jeden einzelnen Bild wieder), Altlasten den Rücken zu kehren und zu schauen.
Es ist ein Schauen mit der gleichen Zuversicht, wie ein Sprechen mit der Vorfreude auf Erkennen.
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Die Betrachtung monochromer Flächen erlebe ich ,wie folgt:
Abstraktion, die aus einer Zusammenfassung zur Farbfläche resultiert,
enthält immer eine Spannung zwischen scheinbarer Einfachheit und denkbarer, unendlicher Tiefe der Fläche entlang aller Dimensionen.
Ausgehend von der Betrachtung eines Aquariumfensters, das in
einer einzigen weißen Fläche einen Einblick in ein mit trüber Flüssigkeit gefülltes Becken gewährt, möchte ich die Aussage veranschaulichen,
dass seine optisch erfasste Fläche immer aus unzähligen Partikeln besteht und theoretisch sehr komplex ist. Das Wissen über die tatsächliche Tiefe des Aquariums ist von Erfahrung getragen bzw. bedarf einer Metaebene oder eines Außenstehenden, um ermittelt zu werden.
Die monochrome Fläche, die ich beschreiben will, wird ohne Umgebung gesehen. Wissend, dass Informationen durch zusätzliche Anhaltspunkte der Umgebung fehlen.könnten, gehe ich bei jeder Fläche von dem Potential aus ,unendlich tief zu sein.
Hinzu kommt, dass selbst der kleinste Bestandteil, ob Faser oder Pigment, eine grenzenlose Diversität durch Wachstum und Ablagerung enthält,
so dass er lokale und temporale Einflüsse in sich codiert.